Brigitte Hutt - IT-Beraterin und Autorin

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Demokratie?

Demokratie 4.0 – Vorsicht, Satire!

Politikerinnen und Politiker werden nicht müde, uns die Qualitäten der so genannten modernen Demokratie vor Augen zu halten, gleich einer XXL-Leinwand, auf dem ein Film, wenn schon nicht paradiesischer, so doch zukunftsweisender Gesellschaftszustände abläuft. Wie bei allen Filmen nimmt der geneigte Zuschauer eher nicht wahr, was hinter der Leinwand abläuft, sieht nicht die emsigen Arbeitsbienen, die diesen Film erst zustande bringen. Hinter strahlenden oder - je nach Grad der anstehenden Krisen - ernstlich besorgten, immer aber um unser aller Wohl bemühten Regierungsgesichtern und -händen arbeitet unermüdlich eine Heerschar von ungenannten Menschen, Frauen und Männern, die sorgfältig darauf achten, dass Worte und vor allem Taten der politischen Führungsriege mit den Absichten der wirtschaftlichen zusammenpassen, quasi zu einer Einheit verschmelzen. Die moderne Demokratie verbindet die Interessen der gewachsenen Vertreter der Gesellschaft auf einzigartige Weise mit denen der gewählten.

Damit dieses komplexe Gefüge möglichst wenigen Erschütterungen oder gar Brüchen ausgesetzt ist, wird auf einen gewissen Teil der Gesellschaft ein sorgfältiges Augenmerk gelegt: auf die Gruppe der Wiederwähler. Ihre Aufgabe ist es, die Regierung in ihrem Tun zu bestätigen, wie auch umgekehrt die Volksvertreter die Wiederwählerinnen und Wiederwähler in ihrem Wollen bestätigen. Von ihnen und für sie lebt, spricht und argumentiert die Regierung. Ihnen ist der Film auf der XXL-Leinwand gewidmet, auf ihr Wohlwollen, periodisch in Wahljahren geäußert, wird jede Szene abgestellt.

Der Wiederwähler, desgleichen die Wiederwählerin, wünscht sich eine starke Regierung, mit hohem internationalem Ansehen - diese wiederum versichert ihm und ihr, genau dafür zu sorgen. Der Wiederwähler legt Wert darauf, dass das Gedeihen des eigenen Landes ein vorbildliches, gern auch von anderen Ländern unerreichbares ist - die Regierung beweist ihm dies in mannigfacher Hinsicht. Die Wiederwählerin sieht Schuldige an internationalen Krisen vorzugsweise in anderen Ländern - die Regierung bestätigt diese Weit-Sicht.

Jedoch ist die Spezies der Wiederwähler keine passive. Nach angestammtem Brauch kommen sie in kleinen Gruppen regelmäßig zusammen, um die aktuelle politische Lage sorgfältig durchzudenken, durchzusprechen, die ultimativen Lösungswege zu finden. Aufgabe der gewählten Vertreter ist es, diese Lösungen aufzugreifen und argumentativ in ihre Arbeit einzuflechten. Dabei darf kein Plan, kein Projekt der Regierung die nächste anstehende Gesamtaktion der Wiederwähler, die nächste Wahl also, außer Acht lassen, denn nur so ist gewährleistet, dass diese ihre Arbeit auch formal bestätigen. Nach der Wahl ist stets auch vor der Wahl. Gut, dass es die emsigen Kulissenarbeiter hinter unserer XXL-Leinwand gibt: sie allein garantieren Kontinuität. Sie sind das buchstäbliche Volk, die Wegbereiter der modernen Demokratie.

© Brigitte Hutt September 2015

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