Brigitte Hutt - IT-Beraterin und Autorin

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Kunstprojekt 'Weg zum Frieden', Münster 2018

Die "Mutter aller Probleme" *

Was ist Migration? Mal abgesehen davon, dass es das Damoklesschwert unserer Zeit zu sein scheint, zumindest, wenn man dem deutschen Innenminister glauben mag.

Migrieren heißt wandern, den Ort wechseln. Das haben Menschen immer schon getan, und die älteste Art der Migration ist die wirtschaftlich begründete: wenn die Weideflächen erschöpft sind, die Wälder und Flüsse leergejagt, die Böden keine Früchte mehr hergeben. Über Jahrhunderte war es in unseren Breiten üblich, diejenigen Nachkommen, die zu viel waren für das Familienerbe, wegzuschicken. Handwerker gingen auf die Walz und suchten sich nicht selten einen ganz neuen Ort, an dem sie sich niederließen. Und, jetzt mal weniger wirtschaftlich gedacht, die Herrscher verheirateten ihre Nachkommen aus diplomatischen Gründen in andere Herrschaftsgebiete. Auch Kriegszüge endeten nicht selten mit Neuansiedlungen.

Ab wann ist Migration negativ? Wenn eine - gesamtmenschheitlich gesehen willkürlich gezogene - Herrschaftsgrenze überschritten wird? Wenn das geschieht, ohne den Herrscher des neuen Gebiets um Erlaubnis zu fragen? Oder nur, wenn die, die im Wunschansiedlungsbereich bereits sesshaft sind, Angst haben, etwas abgeben zu müssen?

Interessanterweise sind immer diejenigen am wenigsten geneigt, "etwas" abzugeben, die selbst ziemlich viel haben. Habe ich nur eine Decke, teile ich. Habe ich zwei, bestehe ich darauf, dass ich eine im Sommer und eine im Winter brauche. (Ich nehme mich da nicht aus ...)

Ist das eventuell schon der Kernpunkt der Probleme, der Anker, an dem wir das Damoklesschwert befestigen können? Dass wir verlernt haben, zu teilen? Um wieder einmal das derzeit so viel beschworene christliche Abendland zu bemühen: Christenpflicht ist ebenfalls das Teilen.

Aber da ist noch etwas. Migration ist etwas, wo alle hinschauen. Etwas, das man als düstere, näher rückende Wolke beschwören kann. Und wenn man auf diese Wolke schaut, richtet man den Blick weit weg von der eigenen Haustür. Sieht nicht die Ausgegrenzten der eigenen Gesellschaft, die Kinderarmut, die zunehmende Rücksichtslosigkeit und Gewalt, die keine Migranten braucht. Sieht nicht die immer noch ausstehende Gleichstellung der Frauen (aus dem Zitat eines Unternehmers: Wir beschäftigen Minderheiten wie Ausländer, [...] und sogar Frauen), die sozialen Ungerechtigkeiten, die Hoffnungslosigkeit derjenigen, die in die Mühlen der Justiz geraten. Für die Politiker eine gelungene Interessenssteuerung, für jeden von uns ein Ventil, eine Sache, auf die man getrost schimpfen kann, denn es sind "die anderen", die das Problem verursachen, die Migranten eben. Gut, dass ich nicht so bin wie die.


* Zitat Horst Seehofer, heute in den Nachrichten: Migration ist die Mutter aller Probleme. Wie lange können wir uns an den Satz wohl erinnern?

© Brigitte Hutt 7.9.2018

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