Brigitte Hutt - IT-Beraterin und Autorin

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Katharina Luther / Wittenberg

Wittenberg 2017

500 Jahre Reformation. "Reformation heißt, die Welt zu hinterfragen" - das ist eine der zentralen Thesen des Reformationssommers (https://r2017.org/).

Ich habe hineingeschnuppert, in den "Kirchentag auf dem Weg", ich als Katholikin in den Evangelischen Kirchentag im Reformationsjubiläumsjahr, und ich habe einmal mehr diese Aufbruchsstimmung gespürt wie auf allen solchen Tagungen, diese Lust, als Mitglieder einer christlichen Kirche, als Laien vor allem, die Welt mitzugestalten. Nirgends sonst ist die Konfession so nebensächlich, ist Christentum so greifbar in seiner ursprünglichsten Intention, nämlich den Menschen als Gottes gute Schöpfung einen Weg zu bieten, einen Weg, den niemand allein gehen muss. Ein Christentum "für" und "mit" (-einander), nicht "gegen" irgendjemanden. Plötzlich sind sie alle da und sichtbar, die Christen, die man im Alltag kaum bemerkt, im Geschäftsleben gern belächelt, wenn sie sich mal "outen", in der säkularisierten Welt oft nicht mehr ernst nimmt, in den Medien zu den hohen Feiertagen vorsichtig wie eine Art "Aliens" beschreibt. Plötzlich ist es wieder gut, Christ zu sein, tut es wieder gut.

Ist das nicht schon Reformation? Sich (immer) wieder einmal zu finden auf der Suche nach der gemeinsamen Mitte? Ist das nicht auch ein Teil von Luthers Anliegen gewesen? Hätte er nicht gern mitdiskutiert, letzte Woche in Wittenberg, oder, alt geworden, mit seiner Käthe vor der Tür gesessen und das eine oder andere Wort mit den neugierigen Besuchern seines Hauses gewechselt?

Ja, man kann die Reformation feiern. Sie hat zwar zu einer Spaltung geführt, aber vor allem zu Wachstum, zu Bestrebungen, die zur damaligen Zeit mehr als überfällig waren. Und - die es heute wieder sind. Alle Kirchen, alle! kleben an Traditionen, die sie nicht mehr hinterfragen, mit denen sie kritische Fragesteller abweisen.

Aber nicht nur die Kirchen: Die ganze Gesellschaft hält lieber Dinge fest, die sie kennt, auch wenn sie nicht gut sind, statt Ballast abzuwerfen und Neues zu wagen. Reformation zu wagen. Das vor allem sollte uns dieses Jubiläumsjahr lehren: Wieder einmal etwas wagen, mit Gottvertrauen - oder für diejenigen, die mit Gott nichts anfangen können, mit Vertrauen auf die eigene Kraft und die Kraft guter Ideen.

Doch dann kommen da Aussagen wie: "Ich bin eigentlich Katholik, aber jetzt bin ich ein Lutherfan geworden." Warum "aber"? Ist das ein Problem?

Und Theologen betonen das "Festhalten an Luthers dezidierter Abwendung von der Papstkirche". Gut und schön - haben wir nichts Wichtigeres zu tun in unserer heutigen Welt? Können wir nicht die Unterschiede stehen lassen und gemeinsam an den Dingen arbeiten, die im Argen liegen und die - ja, nennen wir es so - Christenpflicht wären?

Eine Plakataktion, an der man sich im Internet beteiligen konnte, zeigte in Wittenberg Sätze wie

   "Ist das Boot zu voll oder das Herz zu leer?"

   "Wenn Gott alles sieht, verdreht er auch mal die Augen?"

   "Können wir uns nicht mal in den Arm nehmen statt auf den Arm?"

Ja, können wir das nicht? Der (für mich) wichtigste Satz war in Wittenberg auf vielen Spruchbändern zu lesen:

   "Die Reformation geht weiter."

Da bin ich dabei. Und nie, nie! ist das dezidierte Abwenden gefragt, sondern immer das Zuwenden. Bei aller Verschiedenheit, nicht nur der Kirchen, sondern der Menschen.


© Brigitte Hutt 29. Mai 2017


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