Brigitte Hutt - IT-Beraterin und Autorin

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Waffen - auf der Menoraskulptur vor dem Parlament in Jerusalem

Der Dritte Weltkrieg findet nicht statt

Wir haben es gut. Seit 1945 strengen sich Menschen weltweit an für eine Politik des Friedens, und wir (in Mitteleuropa) leben in der längsten Phase des Nichtkriegs seit Beginn aller historischen Aufzeichnungen.

Dafür zahlen wir natürlich auch einen Preis, aber der tut uns nicht weh. Zuerst war es der Kalte Krieg, der die Welt, aufgeteilt in West- und Ostblock, in Spannung hielt. Deutschland mit beiden Teilen war sozusagen die Front dieses Krieges, und die Großmächte gaben alles daran, diese Front aufzubauen, zu sichern, zu polstern. Für uns im Westen hieß das auch und vor allem wirtschaftlicher Aufbau, von dem wir nicht übel profitiert haben.

Ein Krieg an dieser "Kalten Front" hätte in mehrfacher Hinsicht die ganze Welt ins Wanken und bis an den Rand der Zerstörung (oder darüber hinaus) gebracht. Davon haben wir profitiert. Aber der Mensch ist nun mal so geschaffen, dass er seine Stärke und seine Macht andauernd beweisen muss, und nicht alle Aggressionsgelüste lassen sich über Fußball(welt)meisterschaften oder über die mediale Darstellung der Aufrüstungsdrohgebärden im Kalten Krieg ableiten. Also gab es Stellvertreterkriege, wie in Korea, in Vietnam und so fort.

Von Kriegsschauplätzen wo auch immer in der Welt profitierte (und profitiert bis heute) wiederum unser Land: Mit Rüstungsexporten. Aufschwung im Frieden finanziert durch Krieg.

Spätestens mit Gorbatschow begriff ein Machthaber der Sowjetunion, dass der ganze sozialistische Ostblock den Anschluss an den wirtschaftlichen Aufschwung verpasst hatte, und er versuchte das Ruder noch herumzureißen. Das führte dann letztlich zur Auflösung des Ostblocks und zum so genannten Ende des Kalten Krieges. Und für Deutschland zur Wiedervereinigung.

Was nun? Medienschlagzeilen ohne Drohgebärden, ohne Feindbild? Undenkbar. Da kamen die Taliban (auch im Kalten Krieg geschaffen), dann Al Qaida, letztlich der "IS" grade zum rechten Zeitpunkt. Mit der Bedrohung durch den Islam, der kurzerhand mit "Islamismus" gleichgesetzt wird, hat die Welt ein neues Feindbild. Das rechtfertigt Waffenexporte, Militäreinsätze in fernen Ländern zum Schutz des eigenen Landes, Aufrüstung, Sicherung "Äußerer Grenzen", wenn es in der inzwischen entstandenen Staatenvereinigung EU schon keine inneren mehr gibt. Kurz: Alles, was wir in der Geschichte gelernt haben, können wir hier wieder anwenden. Alles, nur keine Friedenspolitik.

Wenn jetzt die Türkei droht, in mittelalterliche Zustände zurückzukehren, die demokratischen und die Menschenrechte abzuschaffen - wohin "vorübergehende Außerkraftsetzung" oder "Ausnahmegesetze" führen können, haben wir zwischen 1933 und 1939 gelernt, oder könnten es gelernt haben - so runzeln unsere Politiker zwar warnend die Stirn - aber es ist definitiv wichtiger, dass uns die Türkei vor "IS" und Flüchtlingen schützt, als dass ein paar Türken nicht mehr in den Genuss von Menschenrechten kommen. Man muss Prioritäten setzen, und zwar solche, die den mitteleuropäischen Frieden stabilisieren. Die Frage ist nur, ob das langfristig nicht genau an diesem Ziel vorbeiführt. Die Grenzen innerhalb der EU sind bereits wegen der Flüchtlingsströme wieder erwacht, und wir fühlen uns wohl und sicher, wenn wir nur "nach innen" schauen - in den eigenen Landesgrenzen, wohlgemerkt. Auch Frankreich hat schon seinen Ausnahmezustand, und Großbritannien will mit der EU möglichst nichts mehr zu tun haben. Wohin steuern wir?

Sicher nicht in den Dritten Weltkrieg. Den wird es nicht geben, denn Kriege werden nicht mehr erklärt (das hat ja schon unser Land versucht abzuschaffen mit dem "Zurückschießen" im September 1939). Kriege finden nicht mehr statt zwischen Nationen (was ja an und für sich ein Fortschritt wäre, denn was ist eigentlich eine Nation?), sondern zwischen Organisationen. Zwischen Nato und "IS" zum Beispiel. Die allerdings sind durchaus annähernd weltumspannend, die Nato auf der einen, der IS auf der anderen Seite. Und das bringt uns zu der Frage: Sind wir womöglich schon mitten drin, in der modernen Form des weltumspannenden Krieges, im Dritten Weltkrieg?

Haben wir zwar gründlich und nachhaltig gelernt, Kriege aller Art zu führen, unsere Macht damit zu demonstrieren, aber nicht, bis heute nicht, und auch nicht in Zukunft absehbar, gelernt, darüber nachzudenken, ob es auch andere Wege gibt? Ist aus den Zeiten der intensiven Friedensforschung nichts übrig geblieben als die erbärmlichste Methode der Friedenssicherung, die Abschreckung? Ist Krieg tatsächlich "alternativlos"?

Wir sollten aufpassen, auch hier, im friedlichsten aller deutschen Staaten, denn eine Garantie auf Frieden haben wir nicht. Wir sollten aufpassen, dass die von uns so fleißig produzierten und exportierten Waffen sich nicht gegen uns richten. Und wir sollten auch aufpassen, dass die bei jeder Großveranstaltung sorgfältig medial aufgebaute Terrorangst nicht doch tatsächlich mal in einer realen Bedrohung endet, weil auch unser Außenverhalten eine Bedrohung darstellt. Wir sollten Zeit und Geld investieren in eine neue Friedensforschung. Solange es noch Zeit und Geld dafür gibt.

© Brigitte Hutt 22. Juli 2016

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