Brigitte Hutt - IT-Beraterin und Autorin

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Mühlespiel

Das Märchen von der Zwickmühle

Es waren einmal, in gar nicht allzu ferner Zeit, zwei Länder, zwei souveräne Staaten, nennen wir sie der Einfachheit halber Abendland und Morgenland. Beide waren stolz auf ihre Errungenschaften, auf ihre Traditionen, auf ihre Demokratie, ihre Wirtschaft, ihre internationalen Beziehungen. Beide hatten sie auch schwarze Flecken in ihrer Vergangenheit, worauf sie naturgemäß nicht stolz waren, die sie stattdessen eher entschieden in die Geschichtsecke abschoben. Nichtsdestoweniger waren die dunklen Flecken allgemein bekannt, und es war von Zeit zu Zeit ein beliebtes Spiel, im internationalen Machtkampf den jeweils anderen daran zu erinnern.

Nun gab es aber noch erheblich viel mehr Länder im Umkreis, und in einigen davon herrschte Krieg. Das brachte auf Umwegen Abendland in Bedrängnis, eine Bedrängnis, zu der wiederum die Abendländer ihrer Herrscherin vorwarfen, sie nicht klug zu lösen, worauf Morgenland seine Hilfe anbot in Form eines Puffers zwischen Abendland und Kriegsland. Abendland bzw. seine Herrscherin nahm das Angebot dankend an, und die Bedrängnis war, wenn schon nicht aufgehoben, so doch aufgeschoben.

Morgenland hätte gern seine Beziehungen zu Abendland und seinen Nachbarn und Bündnispartnern verfestigt und glaubte mit der Hilfeleistung einen Fuß in der Tür zu haben. Der Herrscher von Morgenland war stolz auf sein politisches Geschick und arbeitete daran, seine Macht auszubauen. Das war nicht allen in seinem Volk recht, aber weitgehend gelang es ihm, Schritt für Schritt. Gern nutzte er dabei seine Beziehungen zu Abendland aus, oft sogar, ohne Abendland vorher zu fragen. Das brachte wiederum einen Teil der Bevölkerung Abendlands gegen Morgenland und auch gegen seine eigene Herrscherin auf,die dagegen nichts unternahm.

Nach starken Worten wurde gerufen in Abendland, nach deutlichen Zeichen, Morgenland in seine und die demokratischen Schranken zu verweisen. Da nichts geschah, nutzten die Abendländer bisweilen ihre demokratische Souveränität und wiesen Abgesandte Morgenlands auf anderen, untergeordneten Ebenen in ihre Schranken. Morgenlands Herrscher ließ sich das nicht gefallen und wedelte ein wenig mit dem dunklen Fleck in Abendlands Vergangenheit. Das erboste die Abendländer erst recht, und auffordernd blickten sie auf ihre Herrscherin. Solchen Vorwurf konnte, durfte sie nicht auf ihrem Land sitzen lassen.

Die Herrscherin von Abendland deutete dem Machthaber in Morgenland an, dass weder seine übergriffige Machtausübung noch sein Wedeln mit dem dunklen Fleck in Abendlands Vergangenheit ihrem Volk gefalle und damit auch ihr nicht. Der Morgenländer nahm das gelassen hin. Ein Blick in Richtung Kriegsland und Puffer, und die Abendländerin wusste Bescheid. Sie schwieg.

Ihr Volk murrte, wedelte seinerseits mit dem demokratischen Anspruch, sie durch andere Herrscher zu ersetzen. Was sollte sie tun? Nahm sie die Machenschaften Morgenlands hin, so verlor sie das Vertrauen ihres Volks. Gebot sie Morgenland Einhalt, so beendete dieses seine Puffertätigkeit, und die internationale Bedrängnis wäre wieder da, was ebenfalls zu einem Vertrauensverlust im Volk Abendlands führen würde. Es war ausweglos, es war eine Zwickmühle.

Da griff die Herrscherin Abendlands zu einem altbewährten Mittel. Sie bedrohte Morgenland mit einem Krieg. Ihr Volk jubelte, hatte es doch das Hochgefühl des Kämpfens und Siegens schon viel zu lange entbehrt. Die lautstarken Drohungen, die der Herrscher von Morgenland nun ausstieß, gingen im beginnenden Heldentaumel unter. Um sich die für eine schnelle Mobilisierung und einen ebenso schnellen Sieg notwendigen Vollmachten zu verschaffen, setzte die Abendländerin diverse demokratische Prinzipien und Gesetze außer Kraft, und schon ging es los.

Es kam, wie es kommen musste. Die Länder übertrumpften einander beim Einsatz modernster Waffen, ihre jeweiligen Bündnispartner wurden in den Konflikt hineingezogen, man konnte schon bald nicht mehr unterscheiden, welche Kampfzone zu welchem Krieg gehörte, zu einem der alten oder zu diesem neuen: Krieg überall. Sieg gab es keinen, denn dazu waren die Waffen zu ultimativ. Waffenruhe gab es allerdings nach gar nicht so langer Zeit, denn die Völker unserer beiden Länder und aller umliegenden waren binnen kurzem genügend dezimiert, so dass die Kräfte aufgebraucht waren.

Was bleibt zu sagen? Gut, dass das nur ein Märchen ist.

© Brigitte Hutt März 2017

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