Brigitte Hutt - IT-Beraterin und Autorin

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Mondfinsternis 2019

Abgeklärt

In Westeuropa gilt das so genannte Zeitalter der Aufklärung quasi als Zeitenwende. Vorher: Die Menschen wähnten sich unter Gottes allmächtiger und allgegenwärtiger Herrschaft, vertreten durch die Kirche. Nachher: Der Mensch wähnt sich als selbstbestimmt und selbst bestimmend.

Was alles wird mit abgeklärtem Lächeln als Folge dieser Wende erklärt! Wissenschaftlicher Fortschritt, Neugier auf das Universum, Glaube an die unendlichen Möglichkeiten der Medizin - doch halt, da haben wir ihn ja schon wieder: den Glauben. Mir scheint, ohne ihn kommen wir Menschen nicht aus. Haben wir früher Gott als Herrscher über alle und alles angesehen, so ist an seine Stelle nun der Mensch getreten - doch welcher? Haben wir uns früher ohnmächtig gefühlt angesichts Gottes Herrschaft, so fühlen wir uns nun ohnmächtig angesichts menschlicher Herrscher und vor allem angesichts der Maßgebenden in der globalisierten Wirtschaft, die so unbeeinflussbar scheinen.

Gern schauen wir Westeuropäer mitleidig herab auf Gesellschaften und Kulturen, die kein Zeitalter der Aufklärung erlebt haben - wie arm sind sie dran. Sehen immer noch Gott als oberstes Prinzip. Dabei vergessen wir ganz, dass ein "Reich Gottes auf Erden" nicht (nur) über Allmacht definiert ist, sondern - und ich sage: vor allem - über den Glauben an die Gegenwart eines Schöpfers, gar eines Vaters, der nicht über allen, sondern mit allen ist. Eine Macht, die sich nicht in Unterdrückung ausdrückt, sondern in Unterstützung. Ein Vater, zu dem wir sprechen können, wenn sonst niemand da ist. Ein Trost, der zwar nicht anfassbar ist, den man mitunter sehr mühsam suchen muss - aber man kann ihn finden.

Und wie billig ist es, ihn nur da zu suchen, wo etwas schief geht! Gott zu leugnen, aber ihn zugleich als Sündenbock für alles zu benennen, was uns erschreckt oder erschüttert! Natürlich geschehen schlimme, entsetzliche Dinge. Aber schauen wir genau hin: Die meisten machen wir selbst, wir, in der Freiheit unseres Menschseins. Natürlich geschehen auch unfassbare Naturkatastrophen, grauenvolle Krankheiten - all die Dinge, für die anscheinend niemand "etwas kann". Und dann soll Gott herhalten? Wir brauchen ihn nicht zur Definition unserer Welt, außer für das Unfassbare? Und das nennen wir Aufklärung?

Die Welt ist einst in Gang gesetzt worden, mit dem, was die Wissenschaftler den Urknall nennen, mangels einer genaueren Spezifikationsmöglichkeit. Darin war alles enthalten, Gutes wie Schlechtes, Schwaches wie Starkes. Und wenn man genau hinsieht, begreift man auch, dass eine Welt, die nur aus Positivem bestünde, auseinanderfiele. Gutes und Böses, Yin und Yang, negative und positive Ladung - die Gegensätze halten, aufgeklärt und physikalisch betrachtet, unsere Welt zusammen. Das müssen wir aushalten, ob nun mit oder ohne ein Gottesbild. Erst wenn wir das schaffen, sind wir wirklich aufgeklärt. Und dann können wir, wenn wir es mögen, unseren Blick für die Situationen, in denen wir Halt und Trost brauchen, auch wieder auf das Phänomen richten, das schon vor dem Urknall da war: auf Gott.



© Brigitte Hutt 2019

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