Brigitte Hutt - IT-Beraterin und Autorin

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Blumiges Apostroph in Brandl's Blumenladen

Der unaufhaltsame Aufstieg des Apostroph's

"Und wie nennen wir die Aktion?"

"Ordnung für's Office!", schlug die Kollegin vor und schrieb es mit Schwung aufs Papier (auf's Papier?).

"Nein, bitte", antwortete ich gequält, "nicht mit Apostroph. Das gehört da nicht hin."

"Sieht doch aber viel schicker aus!"

Diese Antwort, das gebe ich zu, entwaffnete mich. Ich sah, wie in einer Vision, einen Strom von Apostrophen auf mich, auf uns zukommen, der wuchs und wuchs und nicht mehr aufzuhalten war. Wie in den sechziger Jahren der Minirock, dann der Afrolook, die Schlaghosen, die Leggins und so fort.

Anfangs waren es nur die Bratwurstimbisse: Kurt's, Elli's oder auch mal, quasi als Steigerung, das ultimative Wortangebot: "Bei Babsi's". Den Leuten gefiel's (!), sie fanden es chic, modern, angesagt. So nahm das Apostroph seinen Weg über die Kneipen und Lokale bis ins Internet, wo es dann eines Tages als - zumindest in diesen Kontexten - legitim eingestuft wurde, und das ist ja im digitalen Zeitalter schon fast dem Duden ebenbürtig, oder vielleicht auch Duden's ebenbürtig. Für Ladeninschriften wurde es in den letzten Jahren zur Normalität. Liebevoll gestaltete Kleinlieferwagen von Brandl's Blumenladen (siehe Bild) gestalten es als grünes Highlight, und auf dem Markt findet man jetzt schon mal Beschriftungen wie
Passion's Frucht
(Bleibt die Frage: Who the f... ist eigentlich Passion?)

Ganz besonders moderne Menschen verwenden ein noch dynamischeres Zeichen:
Treffpunkt mit gravierendem Apostroph
schmückt ein "Accent grave" wie in à la carte oder im italienischen caffè. Zufall, dass dessen Neigung eine abfallende ist?

Nun wird ein Apostroph gern auch als Einzelanführungszeichen eingesetzt. Da die Trickkiste der Textverarbeitung dazu einiges beizutragen hat, wird das Apostroph immer dann vollautomatisch nach unten gesetzt, wenn davor ein Zwischenraum steht. So kommt es dann in gesperrten Buchstaben zu der sperrigen Schreibweise
Apostroph ganz unten angekommen

Ob das nun als Aufstieg oder doch eher als Abstieg zu werten ist, sei dahingestellt. Ein vom Lehrer zum Kabarettisten auf- (oder ab?) -gestiegener Künstler nennt sich denn auch zeitgemäß "Han's" Klaffl - was ich definitiv für eine gelungene Antwort auf diese Sprachauswüchse halte. Soll außer der oben beschriebenen Modernität auch noch eine gewisse Gemütlichkeit angesprochen werden, so nutzt man gern Verkleinerungen, und auch hier findet unser Apostroph seinen ihm gebührenden Platz: So gibt es in netten kleinen Gastwirtschaften schon mal Kartoffelpfander'l und dazu ein Maß'l Bier. Man kann das sehen wie man will, aber sicher ist eines: Kein Mitglied unseres Alphabets und des dazugehörigen sonstigen Zeichenvorrats hat eine solche überbordende Karriere hinlegen können wie dieses unauffällige Häkchen. Nun könnte man auch hier zu bedenken geben, dass Quantität nicht unbedingt mit Qualität gleichzusetzen ist. Doch ich bin sicher, dass tun nur ewige Mäk'ler und Gestri'ge, Altzopfer'te, kurz: Menschen meines Jahrgang's.

Übrigen's: Die eingangs erwähnte Kollegin ist Schnee von gestern ...

© Brigitte Hutt, ihres Zeichen's seit '55 auf diesem Planeten unterweg's

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