Ein bedenkenswertes Jubiläum
Der Jahreswechsel 2023/2024 müsste alle geschichtsbewanderten Menschen in unserem Land 500 Jahre zurückversetzt haben: Ab 1524 fanden die Aufstände statt, die später als Bauernkrieg bezeichnet wurden, und derzeit protestieren die Bauern (wieder einmal) laut und stark dagegen, dass ihre Arbeit als selbstverständlich angenommen wird, obwohl schon lange klar ist, dass die wenigsten Landwirte von ihrer Hände Arbeit leben können. Das Wort Nebenerwerbslandwirt ist in unseren Wortschatz eingegangen und wird nicht mehr hinterfragt.
Damals, vor nun annähernd 500 Jahren, standen die Bauern auch auf gegen die Herrschenden, fühlten sich ausgebeutet, wollten die Umstände ändern. Viele verloren ihr Leben bei diesen Kämpfen, wenigstens das haben wir wohl überwunden.
Und damals wie heute kamen viele Ursachen zusammen: Vor 500 Jahren war das Land aufgrund der Reformation ohnehin in Unruhe und Wirren, und heute sehen die Bauern in der Streichung diverser Subventionen den berühmten Tropfen, der ihr Unmutsfass zum Überlaufen bringt.
Wie eigenartig, dass die Gesellschaft nicht zu lernen scheint - denen, die gut verdienen, die "ihr Schäfchen im Trockenen haben", ist es eine Selbstverständlichkeit, dass sie auch gut essen können und dass die Zutaten dazu einfach "da sind". Ob nun aus heimischer oder sogar regionaler Landwirtschaft oder importiert - gleichviel, was ich mir leisten kann, kaufe ich. Ein Discounter wirbt sogar mit dem Satz: "Mit uns können Sie es sich leisten". Dass es aber für ein jedes Lebensmittel Produzenten gibt, geben muss, ob heimisch, regional oder importiert, und dass auch die Produzenten ein Recht auf faire Entlohnung ihrer Arbeit haben, das wurde damals und wird heute von den gut gestellten ignoriert. Und dabei kommen sie sich so "richtig" vor: damals als gute Christenmenschen, heute als faire Demokraten. Demo-kratie: Herrschaft des Volkes. Gehören die Bauern nicht dazu? Werden sie gehört und werden sie entlohnt? Ermöglichen wir ihnen einen fairen Platz in der Gesellschaft?
Noch einmal ein Blick in die Geschichte: Ungefähr zur Halbzeit dieser 500 Jahre, im 18. Jahrhundert, im Zeitalter der Aufklärung, machte ein Lied die Runde, das von denselben Zuständen spricht, und dessen Text noch heute so lebendig und wahrhaftig ist wie eh und je:
Mit wunder jezunder man sehen kann recht Wann aber ein jeder die Sache bedächt Ja! wann man thut hören vom Kriegesgeschrey |
Wie mancher verachtet die Bauren auf Erd Hat Gott der Herr selbsten kein Bauren veracht aus der Ebermannstädter Liederhandschrift, um 1750 Eine Vertonung findet der*die Interessierte zum Beispiel hier |
© Brigitte Hutt Januar 2024