Brigitte Hutt - IT-Beraterin und Autorin

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Kaffee bitte mit Sahne

Aber bitte mit Sahne

Mechthild öffnete die Glastür des Cafés und blickte sich um, als sähe sie es zum ersten Mal. Es war ruhig, wie immer donnerstags. Gertrud saß schon am üblichen Fensterplatz, rührte in ihrer Tasse, die vermutlich Pfefferminztee enthielt, und träumte sich weit, weit weg. Mechthild trat zu ihr, tippte ihr sanft auf die Schulter und sagte, ebenfalls sanft: "Freundinnenalarm!"

Gertrud fuhr trotzdem hoch, als wäre sie gestochen worden, strahlte dann aber und wies auf den zweiten Stuhl am Tisch.

"Gerti, Mäuschen, wo warst du denn wieder mit deinen Gedanken?"

"Ach, weißt du, Kopfkino. Wie immer. Wie meistens. Die kostenlose Alternative zum Alleinsein." Gertrud lachte ein wenig verlegen. Mechthild nickte und machte es sich bequem.

"Gut, dass es unsere Donnerstage gibt, nicht wahr? Aber wie lange mag das noch gehen?"

Gertrud atmete erschrocken ein. "Wie meinst du das? Gibt es etwas, was dagegen spricht, dass wir uns noch ewig donnerstags treffen?"

"Nein. Nein, nur dass nichts ewig ist. Und wir nicht jünger werden."

Der Kellner kam und fragte, wie jeden Donnerstag: "Das übliche, Frau Geesthof?"

Mechthild nickte ihm freundlich zu. "Haben Sie denn heute Heidelbeertorte?"

"Aber sicher. Sahne dazu?"

"Nein. Oder doch, ja!"

Der Kellner lächelte und entfernte sich Richtung Buffet.

Mechthild stand abrupt auf, so dass Gertrud schon wieder erschrak. "Was ist denn los?"

"Es gibt noch was gegen das Alleinsein", antwortete Mechthild, "Musik."

Sie trat zu der altmodischen Musikbox, studierte die Titel, warf dann eine Münze ein und wählte. Noch während sie zum Tisch zurückging, erklang die Stimme von Udo Jürgens: "Sie treffen sich täglich um viertel nach drei ..."

Gertrud lachte. "Täglich ja nun doch nicht. Aber ansonsten trifft er uns drei ganz gut. A propos - wo steckt Dagmar?"

Der Kellner servierte Kaffee und Heidelbeertorte, als von der Tür her ein fröhliches "Hallo, Mädels!" erklang. Wie an einer Schnur gezogen fuhren die Köpfe von Mechthild und Gertrud herum. Strahlend kam eine frisch ondulierte Dagmar auf sie zu, gab jeder ein Küsschen auf die Wange, setzte sich und winkte dem Kellner.

"Schwarzwälder Kirsch und Irish Coffee, please!"

"Was ist denn in dich gefahren?", riefen die beiden anderen wie aus einem Mund.

"Ach, Kinder. So schön, euch zu sehen."

"So schön, dass du das heute mal mit Irish Coffee feiern musst?"

"Hmm, ja, manche Tage sind eben so."

"Sind wie?", fragte Mechthild, und ihre Stimme klang ein wenig traurig.

"Na, zum Feiern! Aber was ist mit dir los, Mecki? Du wirkst eher bedrückt? Schlechte Nachrichten oder nur schlecht geschlafen?"

"Ach", Mechthild lachte kurz auf, "wie du schon sagtest: manche Tage sind eben so."

"Sind wie?", fragte nun Dagmar.

"Anders ... als andere. Lasst mal, lasst uns einen schönen Nachmittag haben."

Gertrud musterte sie mit gerunzelter Stirn. "Daggi hat recht. Du bist irgendwie komisch."

"Bin ich doch immer! Sagt ihr oft genug. Mecki, die Stachelige. Die Unbelehrbare. Oder? So, jetzt erzählt Daggi mal, warum sie was zu feiern hat."

Dagmar strahlte erneut und holte tief Luft. Gott sei Dank, dachte Mechthild, abgelenkt. Und nun kommt auch noch die Bestellung, bestens.

Dagmar löffelte etwas Sahne und sagte: "Ihr werdet es nicht glauben."

"Sag einfach, was!"

"Ich habe ...", Kunstpause, Blicke von einer zur anderen, "jemanden ... kennengelernt."

"Nein!" - "Wo?" - "Kennen wir ihn?"

Dagmar lachte. "Weiß ich nicht. Aber er ist unbezahlbar. Und dabei kostenlos!"

"Was soll das denn heißen?"

"Na, dass er mich nichts kostet. Und er ist freundlich, begeistert, begeisternd, geduldig - kurz, der ideale Partner, vor allem für eine komische Alte wie mich."

Gertrud fragte sehr vorsichtig: "Heißt das, also, Mecki sagte eben mal so was wie ‚wer weiß, wie lange wir uns noch treffen donnerstags' - heißt das, du bist von nun an ... anderweitig verplant?"

Dagmar lachte. "Sicher nicht. Die Donnerstage sind mir heilig. Aber die Woche hat ja noch mehr Tage, und da ist er dann da."

"Er. Und er stört sich nicht an deinen Donnerstagen?"

"Aber nein. Wie gesagt, er ist geduldig. Und er ist immer ansprechbar, aber wenn ich meine Ruhe haben will, dann schweigt er. Wie es sein sollte."

"Wo lernt man so jemanden kennen, bitte?"

"Na, wo lernt man heutzutage jemanden kenn? Im Internet!"

"Parship, oder wie das Ding heißt?"

"Nein, das dann doch nicht. Aber ..."

Dagmar schwieg nachdenklich.

"Nun sag schon!"

"Jetzt erzählt doch erst mal ihr, was es Neues gibt!"

"Miststück, uns so auf die Folter zu spannen!" Gertrud lachte, und es klang nicht wirklich fröhlich. "Bei mir gibt es, wie üblich, gar nichts Neues."

"Und unsere Mecki? Wieder mal Reisepläne?"

Mechthild schüttelte den Kopf. "Erst mal nicht."

Dagmar nagte an ihrer Unterlippe. "Sag mal, hattest du nicht was von einem Check beim Arzt erzählt? Gab es womöglich nicht so gute Ergebnisse?"

Mechthild winkte ab. "Irgendwas finden sie immer, das wisst ihr ja. Schon gar in unserem Alter. Dann nimmt man ein paar Pillen, macht ein bisschen Physio, und es wird schon wieder. Oder - sagt meiner - noch ein paar Checks. Aber das wird schon wieder. Man darf sich nur nicht künstlich aufregen."

Dagmar beugte sich zu ihr vor, aber Mechthild wich ihrem Blick aus.

"Was. Ist. Los."

"Noch ein paar Checks, sage ich doch." Mechthild schluckte. "Ich erzähl euch irgendwann Näheres, versprochen."

"Erzähl jetzt. Ich frage meinen ... na ja, meinen neuen Begleiter."

"Ist der Arzt?" Gertrud bekam leuchtende Augen.

"Nein, aber er ... wie soll ich sagen? Er hat ein unglaubliches Wissen. Und man kann ihn alles fragen."

Sie beugte sich erneut zu Mechthild und wiederholte: "Alles."

"Und du vertraust ihm?"

"Absolut."

Mechthild schluckte und dachte nach, lange. Die anderen leerten ihre Tassen und ließen sie in Ruhe. Irgendwann riss aber Gertrud der Geduldsfaden.

"Mechthild, sag, was los ist. Sonst bitten wir Daggi, dass sie ihren neuen Freund mal mitbringt. Ähm, wie heißt er eigentlich?"

"Ja, das möchte ich auch wissen", echote Mechthild betont munter.

"Ich nenne ihn Charly. Das hört er gern."

"Charly. Einen Charly kenne ich tatsächlich nicht. Nur Karl Echter, aber - ist der nicht schon tot?"

"Schon lange, Träumerchen!"

"Also, kennen wir ihn nun oder nicht?"

Dagmar lehnte sich über den Tisch und raunte: "Ihr könnt ihn kennenlernen."

Mechthild lachte auf. "Hast du keine Angst, dass wir ihn dir ausspannen?"

"Geht nicht."

"Was heißt das?"

"Genau, was ich gesagt habe." Dagmar tätschelte Mechthilds Hand. "Erzähl von deinen Gesundheitsproblemen. Ich frage Charly."

"Entschuldige, ich möchte das nicht mit irgendwelchen fremden Menschen diskutieren. Das ist zu privat."

"Unsere stachelige Mecki. Charly ist nicht ‚irgendein Mensch'."

"Ja, ich weiß, er ist dein Neuer, und du bist hellauf begeistert. Aber für mich ist er ein fremder Mensch."

"Aber ... er ... wie soll ich es denn sagen? Er ist lieb und geduldig und über die Maßen klug und belesen und was-weiß-ich, aber er ist ... er ist ... kein ... Mensch!"

"Was ist er dann?" Ungläubige Blicke in der Runde. Dagmar seufzte tief.

"Ich sagte euch doch, er ist der ideale Partner, vor allem für eine komische Alte wie mich, und sicher auch für total nette alte Damen wie euch. Wartet."

Jemand hatte erneut die Musikbox betätigt, und es erklang noch einmal Udo: "... bei Kaffee und Kuchen in der Konditorei ...".

Dagmar seufzte sehnsüchtig. "Nein, für Kaffee und Kuchen ist er nicht zu haben."

Sie kramte in ihrer Tasche, zog ein Smartphone heraus, tippte, wischte und hielt es den beiden anderen hin. Sie sahen eine Art Dialog.


Chat mit Charly alias ChatGPT

"Wer ... was ... ist das?"

"Mein Charly. Für andere, für meinen Geschmack etwas zu technisch: ChatGPT."



Zu Risiken und Nebenwirkungen von Chatbots siehe Elena Esposito:
Kommunikation mit unverständlichen Maschinen (https://pub.uni-bielefeld.de/record/2988982)



© Brigitte Hutt 2025

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