Brigitte Hutt - IT-Beraterin und Autorin

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Klopapier

Freinacht

Vor lauter Aufregung und Vorfreude waren sie ganz kribbelig. Andi konnte nicht stillstehen, Sigi kickte Steinchen hin und her, Jo ließ seine Fingergelenke knacken.

Wo bleibt Tom?

Egal. Lass uns schon mal überlegen, was wir machen.

Hat jemand Klopapier dabei?

Klopapier ist so neunziger. Haben wir doch schon lange geplant: beim Direx den Garten verwüsten. Guckst du? Schäufelchen. Von meiner kleinen Schwester.

Ja, aber das dauert doch nicht die ganze Nacht. Höchstens eine Stunde, eher weniger. Es darf uns doch keiner sehen.

Dann zum Hoffmann, dasselbe noch mal?

Geht's noch, Alter? Der ist Bürgermeister! Der hat Wachleute.

Ha! Wir klauen Mimis Fahrrad.

Und was machen wir damit? Und wieso Mimi?

Mimi, weil sie 'ne olle Streberin ist! Damit sie einmal nicht pünktlich ist. Ist doch super.

Und wohin mit dem Fahrrad? Damit sie nicht auf uns kommt?

Ähm, ja, wohin. Ah, ich hab's! Wir packen es in den Garten vom Direx. Mitten auf seinen blöden Springbrunnen.

Also zuerst zu Mimi.

Da kommt Tom! He, was geht?

He, Leute. Sorry. Konnte nicht früher. Musste zu Fuß gehen. Gab Trouble.

Wegen dir?

Ne, ach, was soll's. Los jetzt.

He, hier lang. Zu Mimi.

Wieso das denn?

Wir hatten die ultimative Idee: Wir klauen Mimis Superduperfahrrad und drapieren es auf dem Springbrunnen vom Direx. Zusammen mit seinen geliebten Blümchen. Sozusagen Denkmal für Mimi, die Streberin.

Und du meinst, die lässt ihr Fahrrad einfach so rumstehen?

Ne, sicher nicht. Aber - guckst du? Seitenschneider! Hab ich bei unserem Nachbarn mitgehen lassen.

Ups, Bruch ist doof. Kriminell.

Na komm, wird schon keiner merken.

Jetzt schauen wir erst mal.

Mimis Haus war vierstöckig. Unten standen eine ganze Reihe von Fahrrädern.

Welches ist das richtige?

Das ganz hinten. Das mit den Blümchen am Lenker. Ist doch klar. Mimi halt.

Pu. Also erst mal die davor wegräumen.

He, leiser!

Du hast gut reden, Alter.

So. Geschafft. Es ist nur abgeschlossen, nirgends angeschlossen. Los, Leute, ab!

Sie brauchten fast eine Stunde bis zu der stillen Wohnstraße, in der der Schuldirektor ein Haus bewohnte. Abwechselnd trugen sie das Fahrrad. Trotzdem keuchten sie ordentlich, als sie ankamen, und ihre Begeisterung war deutlich gedämpfter.

Oh, Alter, so hoch hatte ich die Mauer gar nicht in Erinnerung!

Hier, das Tor ist niedriger. Ich klettere rüber, und ihr hebt mir das Rad rauf.

Mensch! Leise!

So, nun geht der Spaß richtig los. Hier, die ordentlichen Blumen... wie heißt das nochmal?

Rabatte.

Rabatten, du Spacko. Rabatte gibt's beim Shoppen.

Alter, wirst du jetzt auch zum Streber?

Komm, gib mal dein Schäufelchen her. Wir graben sie aus und dekorieren den blöden Brunnen damit.

Zuerst das Rad rauf!

Oh, Mann, hoffentlich hält das. Na los, die Blümchen. Und die Gartenzwerge! Die machen sich supi.

Und ordentlich Erde ins Becken, sonst wachsen die Blumen ja nicht wieder an!

He, leiser!

Als im Haus Licht anging, schlüpften sie erschrocken hinter ein paar Sträucher. Leider waren die dornig, und sie unterdrückten ein paar Flüche. Die Terrassentür öffnete sich, und jemand spähte in den Garten.

Das ist Jonas, der Direxknabe.

Mist. Lass uns abhauen. Der holt bestimmt seinen Alten.

Der Kopf verschwand wieder im Haus. Außenlicht leuchtete auf. Plötzlich erschienen zwei Gestalten.

Wer zum ...

D-das ist ...

Die Gestalten standen am Rand der Wiese, in deren Mitte der frisch geschmückte Springbrunnen prangte. Sie schienen zu diskutieren. Sie schienen auch zu lachen. Die Gestalt, die Jonas war, drehte sich zum Haus zurück, die andere folgte.

Weg! Weg!

Autsch! Sch...Dornen!

Am Tor ist die Lampe an! Da kommen wir nicht rüber, ohne gesehen zu werden!

Habt ihr gesehen, wer da bei Jonas war?

Ein Geräusch ließ sie wieder zum Springbrunnen blicken. Jetzt waren zwei Fahrräder im Spiel. Jonas hatte Mimis Rad vom Brunnen gehievt und schob es zur Terrasse. Wieso war es nicht mehr versperrt? Nun hoben die zwei zusammen ein anderes Rad auf den Brunnen.

D-das ist ...

He, Tom ... siehst du, was ich sehe?

D-das ist ...

Die zwei Gestalten gingen zur Terrasse zurück, und plötzlich gingen sämtliche Lampen im Garten an.

Kommt raus, ihr Spackos! Tom, das bist doch du, oder? Guckst du? Fahrrad? Deins?

Mimi und Jonas, in all dem Licht nun deutlich zu erkennen, verschwanden wieder im Haus und ließen den Garten beleuchtet zurück. Weithin konnte man sie lachen hören.



Brigitte Hutt 30. April 2022

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