Brigitte Hutt - IT-Beraterin und Autorin

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Was vom Fische übrig blieb

Gewusst wie

Menschen sind so was von ignorant!

Suzie Mau wandte sich ab und schlenderte graziös - soweit ihr Übergewicht es zuließ - zum nächsten Tisch, schnupperte und setzte sich in Position: die Augen abwechselnd auf den Fischteller und die Gäste gerichtet. Der ganze unübersehbare Körper drückte Begierde und Hunger aus. Doch auch hier wurde sie ignoriert. Den Gästen schien es nur zu gut zu schmecken, aber bei dem Duft wunderte Suzie Mau das nicht im Geringsten. Der Wind strich über die Terrasse von Tonis Fischerhütte und brachte ihr Fell zum Schwingen und Glänzen. Aber wenn niemand herschaute, führte auch das zu nichts.

Aktiv betteln, zum Beispiel durch klägliches Maunzen oder gar auf den Tisch springen, durfte sie nicht, das hätte ihr nur Hausarrest eingebracht. Also versuchte sie es weiterhin mit Charme und Körper-sprache. Ah, jetzt setzte sich ein Paar auf die gepolsterte Bank, Suzies Lieblingsplatz. Nun war Geduld gefragt. Sie sprang durch die Umzäunung der Terrasse und drehte erst einmal eine Runde, ungefähr so lange, wie neue Gäste zum Auswählen und Bestellen brauchten, und der Herr des Hauses, Herrscher über die Schlüssel zum Hausarrest, zum Servieren der Getränke. Dann schlenderte sie erneut die Terrassenstufen hinauf und näherte sich den Neuankömmlingen. Immerhin nahmen sie sie zur Kenntnis, wiesen einander auf sie hin und machten Bemerkungen. Nicht sehr schmeichelhafte, gab sie zu. Zu fett? Was für ein Unfug! Eine Katze braucht Kraft. Alles Muskeln, liebe Gäste, ihr werdet schon sehen.

Da kamen die unwiderstehlich duftenden Fischgerichte, eines für die Dame, eines für den Herrn. Suzie sprang auf die Bank, legte sich neben die Handtasche der Dame und schaute scheinbar unbeteiligt geradeaus, hinaus in den Garten mit seiner Blumenpracht.

"Mein Essen, hau ab", sagte ihre Nachbarin in bestimmtem, wenn auch leicht ängstlichem Ton. Dachte sie, die dumme Nuss. Wenn sie nur selbst erkennen könnte, wie sie roch, grässlich! Schweiß und noch was, vermutlich Bier. Der hautengen Kleidung nach zu schließen, waren die beiden Radler. Nun, Suzie Mau war bereit, Opfer zu bringen und den Geruch auszuhalten. Sie rückte ein winziges bisschen näher an die Frau heran, Augen immer noch geradeaus auf den Garten gerichtet.

"Jetzt geh schon!", rief die Frau in etwas schärferem Ton und griff nach Suzies Flanke, um sie wegzu-schieben. Darauf war sie natürlich vorbereitet und hatte alle Muskeln angespannt. Nicht einen Zentimeter wich sie. Die Frau jedoch schien sich auszukennen, griff etwas gezielter nach ihrem Nackenfell und drehte sie, so dass sie zwar noch auf der Bank lag, aber das Gesicht weggedreht von den Gästen.

"Sie möchten zahlen? Aber gern!"

Au weh, das war der Herrscher über die Schlüssel. Suzie sprang vorsichtshalber von Bank und Terrasse, wartete den Zahlungsvorgang draußen ab und ging dann erneut und zielstrebig zu den Radlern, die schon einen guten Teil des Fisches verzehrt zu haben schienen. Da musste etwas geschehen, bevor nur noch Gemüse übrigblieb. Suzie überlegte kurz. Dann suchte sie sich ein gutes Plätzchen an der Terrassenumzäunung, genau über den unten angeschlossenen Fahrrädern, zielte und setzte mit einem Sprung auf das schwächere Fahrrad, mit dem nächsten Sprung auf den Boden. Und war, als sie es scheppern hörte, auch schon am anderen Ende der Terrasse. Wie erwartet, waren die Radler aufgesprungen und an den Terrassenrand gelaufen, um zu sehen, ob ihre kostbaren Ergänzungskörperteile Schaden genommen hatten. Das war Suzies Chance. Ein Sprung auf die Terrasse - das sind alles Muskeln, liebe Gäste! -, zwei zur Bank, einer hinauf, strecken, und schon hatte sie das größte Stück Fisch im Maul. Bis die Gäste wieder vor ihrem Teller saßen, war von Suzie Mau nichts mehr zu sehen.

An diesem sonnigen Mittag gelangen ihr noch drei weitere Raubzüge. Eigentlich nur einer, denn zwei andere Gäste ließen sich dazu herab, die "süße Katze" freiwillig zu füttern. Sie nahm deren - relativ kleine - Brocken natürlich gnädig entgegen.

Gegen vier Uhr leerte sich die Terrasse. Suzie Mau schlenderte nach hinten zur Küchentür. Wie erwartet, kam kurz darauf Frau Hartwig mit einem vollen Eimer heraus, voll mit Dingen, die die Menschen "Abfall" nannten, die doch aber nur frisch vom Beutetier geschnitten waren.

"Oh je, Suzie Mau, haben sie dich wieder vergessen?"

Suzie Mau blickte pflichtschuldigst hungrig, kläglich und bescheiden. Das ganze Repertoire. Frau Hartwig griff nach einer flachen Schale und füllte sie großzügig mit Fischresten. Suzie Mau war zufrieden.

© Brigitte Hutt September 2020
das Restaurant ist echt (Name geändert), die Katze auch (Name unbekannt), die Polsterbank auch - der Rest fiktiv

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