Brigitte Hutt - IT-Beraterin und Autorin

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Prähistorische Maske, Basel

Tief drunten

"Und wo sind nun die Fledermäuse?"

"Die Beleuchtung ist aber immer noch nicht so besonders."

"Kalt ist es hier, also wirklich."

Banausen, dachte Kaltenbrunner, alles Banausen. Und das sind nun die Ehrengäste. Die millionenschweren. Sponsoren? Spinner. Er riss sich zusammen und erklärte, nicht zum ersten Mal, die Besonderheiten der Höhle, die naturgegebenen Temperaturen, die Naturschutzbedingungen, das Winterquartier für die Fledermäuse während der Schließungszeiten der Höhle - und hatte wieder einmal das Gefühl, dass ihm niemand richtig zuhörte. Der Diplomat schaute in sein Handy, der Landmaschinendirektor ließ sich von seinem Chauffeur oder Leibwächter etwas ins Ohr flüstern, der Bürgermeister hofierte die Versandhauslady, die Modefürstin streifte ihre Handschuhe über, die anderen schauten sich fröstelnd um oder fingerten gar an den Tropfsteinen herum, soweit sie erreichbar waren. Gott sei Dank waren das die wenigsten, denn Kaltenbrunner war eigens instruiert worden, dass er bei dieser Gästegruppe auf Wiederholung des Verbots "nichts anfassen" verzichten sollte.

"Meine Damen und Herren, wir gehen jetzt hier links weiter. Vorsichtig, der Weg ist abschüssig, und natürlich feucht von den Tropfsteinen. Aber die Höhle, die Sie unten vorfinden werden, ist den Abstieg wert."

Auch dies ein Standardsatz. Der Bürgermeister nahm die Versandhauslady dezent beim Arm, der Chauffeur oder Leibwächter tanzte um seinen Chef herum, das eine oder andere "huch" oder auch "igitt" war zu hören, aber sie trippelten brav weiter.

"Sie, Herr ... Dings, wird hier denn mal ein Geländer eingebaut?"

Das war die Modefürstin, die mit den unglaublichen Absätzen. Sie rutschte natürlich dauernd aus. Wusste die denn gar nichts über Höhlen? Sie könnte sich ja mal mit höhlentauglicher Mode beschäftigen, fand Kaltenbrunner. Aber vermutlich lag das nicht innerhalb ihres Horizonts.

Alle machten große Augen, als sie in der unteren Höhle, die allgemein nur Tempel genannt wurde, angekommen waren. Gigantische Säulen schienen ins Unermessliche zu wachsen, die Tropfsteine schimmerten in unvorstellbar vielen Tönen.

"Iiiiii!"

"Was ist denn?"

"Eine Maus!"

"Eine Fledermaus?"

"Nein, eine richtige, da, da hinten!"

Es gibt hier keine Mäuse, dachte Kaltenbrunner grimmig und versuchte, sich zu Wort zu melden, aber niemand der Gäste schien noch auf ihn zu achten.

Mir reicht es, beschloss er. Mir reicht es schon lange, und mit dieser Gruppe insbesondere. Er schob sich unauffällig an die Wand mit dem Sicherungskasten. Dann holte er tief Luft und brüllte mit einer Stimme, die sich vielfach im Gewölbe brach: "Und nun bitte ich um Ihre Aufmerksamkeit!"

Unmittelbar darauf legte er den Hauptschalter um, und es wurde schlagartig dunkel. Die "Ahs" und "Ohs", das Gemurmel der Gäste, die sich hilflos in der Finsternis umschauten, ermöglichten ihm, der die Höhle kannte wie sonst niemand, schnell und doch fast lautlos den Weg zurück zu nehmen.

Leiser und leiser wurden die Stimmen von unten, und nach einigen Minuten hörte er sie gar nicht mehr. Als er den Höhlenausgang erreicht hatte, schloss er das Gitter, warf den Schlüssel sorgfältig in einen der bereitgestellten Müllkörbe, um die herum sich Chipstüten und Eispapierchen angesammelt hatten, und ging pfeifend davon.

© Brigitte Hutt 2019

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